Wenn der Lieblingsitaliener ein Sportanbieter wäre

Sport-Sommerloch 2023: DAZN kostet nun 45 Euro, Magenta verliert die Basketball Bundesliga und wird trotzdem teurer, mit Dyn steht ein neuer Resterampen-Anbieter in den Startlöchern und Sky bleibt Sky mit weiterhin grausiger Bedienbarkeit, dafür ohne Handball. Die Aussichten für den deutschen Sportnerd sind nicht gerade rosig.

Immer mehr Inhalte gehen mit immer mehr Anbietern und immer höheren Kosten einher. Kundenfreundlich ist das schon lange nicht mehr. Doch die Sportbranche ist scheinbar weiterhin überzeugt, dass dieses Vorgehen funktionieren kann. Ein erfolgreiches Beispiel dafür sucht man vergeblich - seit Jahrzehnten.

Sportangebote aus Kundensicht zu denken scheint weiterhin verpönt. Man stelle sich ein ähnliches Verhalten in anderen Branchen vor.

Zum Beispiel beim Lieblingsitaliener

Kunde: Hallo, wir hätten gerne eine Pizza Salami und einmal Spaghetti Bolognese.

Wirt: Sehr gerne, leider darf ich Ihnen nur Pizza anbieten, das Recht auf Pasta hat der Laden gegenüber.

Kunde: Hm, schade, na gut, dann eben eine Pizza Salami und eine Funghi.

Wirt: Wir dürfen hier nur Pizzen mit Fleischbelag herstellen. Vegetarische Pizzen gibt es 2 Straßen weiter. Dort bekommen Sie aber natürlich keine Salami.

Kunde: Also gut. Dann eine Salami und eine Prosciutto.

Wirt: Alles klar. Das macht dann 80 Euro.

Kunde: 80 Euro? Ich möchte doch nur zwei Pizzen?

Wirt: Ja, aber Sie bekommen ja auch noch zusätzlich 2 Schnitzel, 1 Roastbeef und eine Packung Weißwürste.

Kunde: Aber ich mag keine Weißwürste und wollte doch nur Pizza.

Wirt: Das geht leider nicht. Das ist bei uns so im Paket. Sie müssen aber zugeben, für 2 Pizzen, 2 Schnitzel, 1 Roastbeef und eine Packung Weißwürste ist das ein super Preis!

Kunde: Das mag sein, aber ich habe weder Zeit noch Lust noch genug Hunger für so viele Speisen.

Wirt: Sie müssen ja nicht alles essen. Aber kochen werden wir es trotzdem. Wissen Sie, es lohnt sich sonst für uns nicht, wenn jeder nur das bezahlt, was er auch isst.

Kunde: Hm, das überzeugt mich alles nicht.

Wirt: Dann habe ich noch ein super Angebot für Sie. Wenn Sie sich dazu verpflichten, ein Jahr lang jeden Freitag 2 Pizzen, 2 Schnitzel, 1 Roastbeef und eine Packung Weißwürste zu essen, dann zahlen Sie pro Freitag nur 75 Euro. Wenn das kein guter Deal ist!

Zusätzlich können Sie sogar jeden zweiten Mittwoch vorbeikommen und bekommen eine Kleinigkeit geschenkt. Eine Portion Senf z.B. oder einen Schluck kaltes Wurstwasser. So als Appetitanreger verstehen Sie?

Kunde: Nene, dann komme ich lieber nächsten Freitag mit ein paar Freunden. Dann wird aufgegessen und irgendwer mag sicher auch Weißwürste.

Wirt: Das geht so leider nicht.

Kunde: Warum das denn jetzt?

Wirt: Sie können immer nur von 2 Tellern gleichzeitig essen. Das haben wir so festgelegt. Solange Sie sich ein Besteck teilen, können aber beliebig viele Freunde vom gleichen Teller essen.

Kunde: So wichtig ist die Pizza dann auch wieder nicht…

Dass es bei diesem Vorgehen tatsächlich noch Menschen gibt, die nicht verstehen, warum sich Sportangebote nicht refinanzieren lassen, bleibt ein Rätsel.

Die naheliegende Lösung wäre, aus Kundensicht zu denken. Das soll schon vielen Produkten zum Erfolg verholfen haben. In diesem Fall mit den folgenden beiden notwendigen Veränderungen:

Bezahlung nur für die Inhalte, die man sehen möchte

Wenn ein Kunde nur Alba Berlin Basketball sehen möchte, dann muss er das auch buchen können. Und selbstverständlich auch nur für Alba Berlin Basketball bezahlen. Solange der Zwang besteht, den Volleyball Pokal oder die 2. Handball-Liga dazu zu buchen, wird der Kunde nicht glücklich werden. Und wenn der Kunde nur Alba – Ludwigshafen als Einzelspiel sehen will, muss auch das für einen kleinen Preis möglich sein.

Jeden Tag besteht ein grenzenloses Angebot an Unterhaltung und der Kunde ist nicht bereit etwas zu bezahlen, dass er nicht konsumieren will. Micro-Pay Per View für Einzelspiele, Team- und Season-Pässe. Die Bezahlung von Kleinbeträgen für Unterhaltungsformate ist längst gelernt und eingespielt.

Freie Anbieter- und Plattform-Wahl

Exklusivitäten erschweren den Kunden den Konsum. Und das obwohl Zahlungsbereitschaft besteht. Die Plattform der Übertragung ist heutzutage nebensächlich, die Verfügbarkeit auf allen Geräten ein Hygienefaktor. Vom ersten Klick zur laufenden Übertragung in maximal 2 Minuten, diese Einfachheit ist der Kunde aus anderen Lebenssituationen längst gewohnt.

Ende des Friss oder Stirb Prinzips

Ein echtes Werben um den Kunden wird sich allerdings erst einstellen, wenn auch Freiheit in der Wahl des Anbieters besteht. Wenn beispielsweise Sky, Vodafone, Magenta und DAZN das gleiche Fußballspiel anbieten und der Kunde frei entscheiden kann, werden Faktoren wie Qualität, Preis, Image, Markentreue etc. die Kaufentscheidung bestimmen. Genau wie in fast allen anderen Lebenslagen..

Auch hier lohnt sich ein Vergleich mit anderen Branchen: Man stelle sich vor, man könnte wochentags nur mit O2 und am Wochenende nur mit Telekom telefonieren. Unvorstellbar? Nicht im Sport.

Die Rechtehalter, also Verbände, Ligen und Vereine, sind an solchen Veränderungen natürlich nicht interessiert. Höherer Aufwand, weniger Sicherheit, Konzentration auf Leuchtturm-Veranstaltungen. Dazu natürlich die Abkühlung des grenzenlos überhitzten Bietermarktes. Mittelfristig können allerdings nur so mehr Menschen für Sport begeistert werden.

Erst wenn aus Sicht der Kunden gedacht wird, wird sich ein Produkt durchsetzen. Keine neue Erkenntnis, aber im Sport immer noch nicht angekommen.

Kommentare

  1. Toller Text. Stimme bei fast allen Aussagen zu, aber beim Italiener esse ich eh immer nur Pizza. Solange es noch Dumme/Faule gibt, die ein maßlos überteuertes Abo abschließen, wird sich nichts ändern. Ein ähnliches selbe Prinzip sieht man ja bei dem Online Angebot der Legacy Printmedien, die Qualität ist miserabel und alles wird hinter einer Paywall versteckt.

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    1. Ich würde die Kunden nicht als dumm oder faul bezeichnen. Aktuell ist es eben der einzige Zugang. Allerdings erreicht man so nur diejenigen, die bereit sind inhaltlich und finanziell diese Extrameile zu gehen. Und dann reicht die Masse eben nicht aus, auch nicht für die Anbieter.

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  2. Sehr guter Text und der Vergleich - einfach herrlich!
    Sehe auch den Trend cost per view einzuführen, denn nur so wird den Kundenbedürfnissen Rechnung getragen. Anbieter von Carsharing werben z. B. damit nur für das zu bezahlen was man nutzen will, das ist Kundenorientierung.

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